Dolomiten Report 2005

2.Tag: Contrinhaus - Cima Ombretta (3011 m)

Nach fast comatösem Schlaf erwarten uns am frühen Morgen tief im Tal hängende Wolken, die Sicht - zunächst verdeckt durch eine Riesenspinne vor dem Fenster - etwa 20 m. Aber was soll's. Der Hüttenwirt spricht von Morgennebel. Also frühstücken wir erstmal ausgiebig.Zur Cima Ombretta Wir lassen einige Inhalte unsere Rucksäcke an der Hütte zurück, da wir beim Abstieg wieder hier vorbeikommen.Am Vorabend haben wir uns entschlossen, die südliche Route für den Aufstieg zu wählen. Abmarsch 8.15 Uhr.

Equipement-Spaß für StevieZunächst über Almen, dann über Wurzeln durch Wälder gewinnen wir schnell an Höhe, das Contrinhaus verlieren wir durch den Nebel schnell aus den Augen. Wann wird's denn jetzt sonnig? Ich bin zuversichtlich und verspreche Stefan eine Top-Aussicht am Gipfel. Es begleiten uns lediglich einige Murmeltiere mit ihrem Gepfeife, nur einen Pelzknäuel kann ich entdecken. Plötzlich um 8.45 Uhr - wir traben so auf einer Hochalm zwischen Kuhpfladen und Murmeltierhöhlen dahin - WEhemaliger Gletscher Vernalefinden wir keine Wegmarkierungen mehr. Vor uns rennen zwei weitere Wanderer ziellos dahin - offensichtlich auch auf der Suche nach dem Weg. Darunter das einsame Wandergirl vom Vortag. Stevie nimmt schnell Witterung auf, jedoch nicht um den Weg zu suchen, sondern zum Kontakten. Seine Begeisterung hält sich jedoch plötzlich in Grenzen. Denn Gerüche, die ich zunächst dem Murmeltier und nicht eines Menschen Flüssigkeitsausscheidungen zuordne, sowie ungepflegter Wildwuchs unter den Achseln lassen Stevie zurückschrecken. Nichts für Ungut, wir müssen eh weiter und haben keine Zeit für Geplänkel. Ich werfe mir erstmal die Vitamin-Pillen ein und - voila - werde fluchs fündig. Wir folgen dem richtigen Weg "Sentiero Italia" (Nr. 607) weiter .

Während Wandergirl und Co. vor uns diesem weiter gen Süden folgen, biegen einzig wir ab in Richtung Osten - vor uns der Sasso Vernale - laut Karte, denn sehen können wir ihn im grauen Schleier nicht. Am Ferrata OmbrettaFerrata Ombretta schließlich - etwa die Hälfte zum Gipfel (500 Höhenmeter) sind geschafft - legen wir unsere Ausrüstung an. Nun geht's ca. 20 m senkrecht den Klettesteig nach oben. Die Tritte sind wenig ausgeprägt, aber mit etwas Klettererfahrung und bei hier notwendiger Sicherung schafft man diesen kurzen Eisenweg mühelos. Am Ende des Steigs liegt StefanIm Klettersteig grinsend bis über beide Ohren - endlich hatte er den gelieben Kletterspaß. Vor uns eröffnet sich nun der Blick auf eine schier endlos scheinende Schotterpiste. Moränen die einst Gletscher Vernale hier liegen ließ. Benannt nach seinem Hausberg, dem Sasso Vernale (3054 m) ist heute nur noch ein kleines Schnee- und Eisfeld vom einst mächtigen Vernale übrig. Um 12.05 Uhr machen wir die letzte Pause vor dem finalen Aufstieg. Stefan klagt über Kopfschmerzen, die hat er immer am ersten Tag, was nun an der Höhenumstellung, einer schlaflosen Nacht oder zuvielen Weizenbieren liegen kann - ich bin noch nicht dahinter gekommen.

Blick auf die Marmolada-SüdwandDie letzten 450 m also über diesen Schotter. Nichts außer Gesteinsschutt. Der Aufstieg kostet jetzt Kraft. Einziger Lichtblick: die Wolken lichten sich langsam aber stetig. Der ein oder andere Zacken schiebt sich hin und wieder durch die Wolkenwand, um gleich im nächsten Moment wieder abzutauchen. Wer ist hiervon wohl unsere Cima?

Dann stehen wir plötzlich unverhofft auf einem Grat, vor uns ein grandioser Blick auf die Marmolada-Die Sicht reißt auf .. was für ein Panorama!Südwand! Unter uns der Passo Ombretta. Und nach Osten der Gipfel der Cima Ombretta Orientale zum Greifen nahe. Rasch haben wir diesen über den Grat erreicht und stehen um 12.35 Uhr auf dem Gipfel der Gefühle. Ausgiebig genießen wir den Blick auf die Südflanke. Die Sicht reißt mehr und mehr auf - auch Civettas Breitseite zeigt sich - im Süden sogar die Pala.

Gipfel der Cima Ombretta Orientale 3011 mWir befinden uns auf einer Aussichtsloge vor der gewaltigen Marmolada-Südfront - jener viele Kilometer breiten und bis zu 800 m hohen Wandflucht. Der Gipfel der Cima Ombretta - wohl gemerkt 3011 m hoch - versteckt sich vollkommen hinter dem höchsten Dolomiten-Gipfel. In der senkrechten Wand entdecken wir mühsam Kletterer auf dem Weg zum Gipfel. SchotterpisteNur zu überhören sind sie nicht - die kleinen Italiener. Nach ausgiebigem Foto-Shooting, Pausensnacks und Gipfel-Zigarette machen wir uns an den Abstieg - bei inzwischen schönstem Sonnenschein. Bis zum Parkplatz haben wir 1500 Höhenmeter vor uns.

Über Geröll und Schrofen geht's rasch hinab, durch eine Steilmulde und über schuttreiche Hänge abwärts bis zur roten Biwakschachtel Marco dal Bianco, die wir uns mal genauer ansehen. Sechs Personen finden hier locker Platz. Und Proviant ist auch da. Die Betten scheinen aber eher für kleine Italianos kreiert zu sein und nicht für nordische Hünen wie mich. Mit Blick auf die Uhr sehen wir von einem erholsamen Mittagsschläfchen in der Schachtel ab. Weiter des Wegs kurz hinter dem Biwak kommen wir an einer pech-schwarzen Felsgruppe vorbei, fast ein kleiner Berg. Als Nicht-Geologe wissen wir solche verbrannten Felsen jedoch nicht zu beurteilen.

Schotter, Schrofen, kurze SteigeSchließlich erreichen wir den Ombretta-Pass. Der Blick auf die Marmolada-Wand ist Biwakschachtel Marco dal Biancoschwindelerregend, scheint sie sich doch schier über den Betrachter neigen zu wollen. Talabwärts geht's weiter jetzt zwischen engeren Felswänden, weiter über Schutthänge, zwischen wilden riesigen Felsbrocken hindurch, dann das obere Contrin-(Rosalia-)Tal hinab über Wiesen Richtung Contrinhaus. Dort angekommen gönnen wir uns erst einmal große kalte Limos, während sich Stevie an einem Groupie erfreut.

Abstieg im oberen Contrin-Tal mit Blick auf ContrinhausDer Rest wird jetzt ein Spaziergang - wobei die Knochen schon etwas schmerzen. Wir erreichen das Auto und fahren nur noch um die nächste Straßenecke in den nächstgelegene Pension in Penia, keine Lust mehr auf Suchen, wir nehmen das erste Zimmer. Nur endlich duschen und dann Pizza und Radler. Nur 30 Minuten später sind wir im Lokal um die Ecke. Die Radler hauen uns fast um, die Müdigkeit siegt, so dass ich von Stefans Nachtprogramm im italienischen Fernsehen nichts mehr mitkriege. Der verdiente Johnny-Cola gibt mir den Rest. Gute Nacht John-Boy!

 

 


© Michael Breiden 2006

3. Tag: Vom Villnößtal zur Schlüterhütte

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